Tschechien

Tschechische Republik

Die Tschechoslowakei gehörte zu den aus der untergegangenen Doppelmonarchie Österreich-Ungarn hervorgegangenen Nachfolgestaaten auf dem Gebiet der heutigen Staaten Tschechien, Slowakei und einem Teil der Ukraine. Am 28. Oktober 1918 wurde die tschechoslowakische Republik als freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat nach westlichem Vorbild ausgerufen. Tomáš Garrigue Masaryk wurde ihr erster Präsident. Die Tschechoslowakei erlebte eine demokratische und wirtschaftlich vergleichsweise erfolgreiche Zwischenzeit.

Um einen Krieg zu vermeiden, einigten sich jedoch die westlichen Großmächte im September 1938 im Münchner Abkommen, dass die Tschechoslowakei die sudetendeutschen Gebiete mit mehrheitlich deutschsprachiger Bevölkerung an das nationalsozialistische Deutschland abtreten sollte. Sie wurden ab Oktober von der Wehrmacht besetzt und in das Gebiet des Deutschen Reiches als Reichsgau Sudetenland eingegliedert. Ähnliches war für die polnischen Minderheiten vorgesehen. So wurde ebenfalls im Oktober das Teschener Gebiet von Polen besetzt. Nach der auf deutschen Druck hin erfolgten Herauslösung der Slowakei aus der tschechoslowakischen Republik wurden die verbleibenden Gebiete von der deutschen Wehrmacht besetzt und am 16. März 1939 zum Protektorat Böhmen und Mähren erklärt. Auf diese Weise geriet die tschechoslowakische Republik noch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges unter nationalsozialistisch-deutsche Besatzung.Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Tschechoslowakische Republik in den Grenzen vor dem Münchner Abkommen, allerdings ohne die Karpatenukraine, wiederhergestellt. Die deutsche Bevölkerung vor allem in Tschechien wurde überwiegend vertrieben oder ausgesiedelt. Im formal legalen Februarumsturz 1948 erreichte die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei die Vereidigung einer nunmehr kommunistisch dominierten Regierung. Damit wurde die Zugehörigkeit des Landes zur sowjetischen Einflusssphäre besiegelt und die Demokratie faktisch beendet. Als 1968 Reformkräfte unter dem Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Alexander Dubček nach einem „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ strebten, schlugen sowjetische Truppen und Verbündete des Warschauer Pakts den „Prager Frühling“ blutig nieder. 1977 entstand infolge der Unterzeichnung der Petition „Charta 77“ eine Bürgerrechtsbewegung, deren Initiatoren und Unterstützer teils langen Haftstrafen ausgesetzt waren.

Die friedlichen Proteste während der Samtenen Revolution 1989 beendeten schließlich die Herrschaft der Kommunistischen Partei. Im Dezember wurde eine mehrheitlich nichtkommunistische Regierung gebildet und der Bürgerrechtler Václav Havel zum Staatspräsidenten gewählt. Im Juni 1990 fanden die ersten freien Parlamentswahlen seit 1945 statt. Zum 1. Januar 1993 löste sich der tschechoslowakische Staat einvernehmlich in die beiden selbständigen Staaten Tschechische Republik und Slowakische Republik auf.

Chronik

14.11.1918
Ausrufung der Tschechoslowakischen Republik in Prag; Wahl von Tomáš Garrigue Masaryk zum ersten Präsidenten
30.09.1938
Münchner Abkommen zwischen Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien, das zur Abtretung tschechischer Grenzgebiete an das Deutsche Reich führt
16.03.1939
Ausrufung des Protektorats Böhmen und Mähren durch Adolf Hitler einen Tag nach der deutschen Besetzung der tschechischen Länder
17.11.1939
Schließung der tschechischen Hochschulen, Deportation von 1.200 Studenten in das Konzentrationslager Sachsenhausen
27.05.1942
Attentat tschechoslowakischer Fallschirmspringer auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich in Prag; Auslöschung der Dörfer Lidice und Ležáky als deutsche Vergeltungsmaßnahme
12.12.1943
Freundschaftsvertrag zwischen der tschechoslowakischen Exilregierung und der Sowjetunion als erster Schritt auf dem Weg, die Tschechoslowakei unter sowjetischen Einfluss zu bringen
05.05.1945
Beginn des Prager Aufstandes gegen die deutschen Besatzer, der mit einem Waffenstillstand und dem Abzug der Wehrmacht endet
26.05.1946
Erste Nachkriegswahlen in der Tschechoslowakei; Kommunisten erzielen in den tschechischen Ländern die meisten Stimmen
25.02.1948
Im „Februar-Umsturz“ gewaltsame Machtübernahme durch die Kommunisten in der Tschechoslowakei
06.10.1948
Gesetz zum Schutz der volksdemokratischen Republik, auf dessen Grundlage 248 Regimegegner hingerichtet und Tausende zu hohen Strafen verurteilt werden
11.07.1960
Annahme der Verfassung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik
21.08.1968
Invasion von fünf Armeen des Warschauer Pakts und gewaltsames Ende der Reformen des „Prager Frühlings“
01.01.1969
Inkrafttreten des Verfassungsgesetzes über die Tschechoslowakische Föderation; Entstehung der Tschechischen Sozialistischen Republik und der Slowakischen Sozialistischen Republik
01.01.1977
Gründung der Charta 77, einer bedeutenden Bürgerinitiative, deren Unterzeichner permanentem Druck ausgesetzt sind und zu langen Haftstrafen verurteilt werden
17.11.1989
Gewaltsame Niederschlagung der Studentenproteste in Prag; Auslöser der „Samtenen Revolution“, die im Dezember 1989 zum Fall des kommunistischen Regimes führt